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P A T E N T R E C H T


Wer hat's erfunden?

 
Deutsche Hochschulen melden nur wenige Patente an - Bürokratie und hohe Kosten schrecken viele Forscher ab. Ein Gesetz soll Abhilfe schaffen

 
Von Oliver Burgard


Dieser Laser ist ein Multitalent: Ein Lichtimpuls, für den Bruchteil einer Sekunde in den Himmel geschickt, verrät Umweltschützern die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre. Durch eine Spektralanalyse des Streulichts lassen sich die Smog- und Ozonbildung in der Luft untersuchen und minimale Spuren von Industrieabgasen selbst noch in vielen Kilometern Höhe nachweisen. Und das Lasersystem Teramobile kann noch mehr. "Die Untersuchung der Atmosphäre ist eine wichtige Anwendung, aber nicht die einzige", sagt Ludger Wöste, Professor für Experimentalphysik an der Berliner Freien Universität. Langfristig, sagt der Physiker, sei sogar eine Steuerung meteorologischer Prozesse denkbar. In feuchte Luft gerichtet, kann ein kurzer Lichtimpuls Kondensation bewirken. So lässt sich mittels Laser zum Beispiel die Bildung von Regentropfen bewirken.

Teramobile ist nicht die erste Erfindung des Physikprofessors. "Etliche Patente" hat er in den letzten Jahren angemeldet, beispielsweise einen intelligenten Sensor für Blindenstäbe, der Hindernisse erkennt und durch ein fühlbares Signal anzeigt.

Wissenschaftler, die sich auch als Erfinder verstehen, sind an deutschen Universitäten selten. Eine aktuelle Studie, die der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) im Auftrag des Bundesforschungsministeriums durchführte, kommt zu dem Ergebnis, "dass die Atmosphäre an Hochschulen Patentaktivitäten nicht unterstützt". Die Konsequenz: Wissenschaftler mit klassischer Hochschulkarriere sind "eher patentinaktiv". Ingo Böhringer, Referent für Patentförderung und Existenzgründung im Bundesforschungsministerium, schätzt, "dass Firmen wie Siemens oder Bosch jedes Jahr in Deutschland mehr Patente anmelden, als auf Erfindungen aus allen deutschen Hochschulen erteilt werden". Von den mehr als 52 000 Inlandspatentanmeldungen, die jährlich beim deutschen Patentamt in München eingereicht werden, beziehen sich derzeit nur vier Prozent auf Erfindungen aus Hochschulen.

Zahllose produktfähige Ideen liegen brach, weil Wissenschaftler die Vermarktungsmöglichkeiten ihrer Forschungsergebnisse nicht erkennen oder den Kosten- und Zeitaufwand einer Patentierung scheuen. Das soll sich ändern: Um die praktische Anwendung von Forschungsergebnissen anzukurbeln, investiert das Bundesforschungsministerium bis zum Jahr 2003 insgesamt 35 Millionen Euro aus UMTS-Erlösen in eine "Verwertungsoffensive". Bundesweit entsteht ein Netz von 18 Patent- und Verwertungsagenturen, die Erfinder bei der kommerziellen Auswertung ihrer Entdeckungen unterstützen. Wenn die Aussichten für eine Vermarktung besonders günstig erscheinen, übernehmen diese Agenturen alle anfallenden Kosten - 2500 Euro bei einer deutschen Patentanmeldung, 50 000 Euro bei einem internationalen Patent.

"Null Kosten, null Risiko"

Im Februar trat zudem eine Änderung des Arbeitnehmererfindungsgesetzes in Kraft, die dem so genannten Hochschullehrerprivileg ein Ende setzte. Seither liegen die Rechte an einer Erfindung nicht länger beim Professor, sondern bei der Hochschule selbst. Sie kann über die Verwertung und Lizenzvergabe entscheiden, muss aber den Entdecker des patentierten Gegenstands mit 30 Prozent an den Lizenzeinnahmen beteiligen. "Null Kosten, null Risiko und 30 Prozent der Lizenzeinnahmen - so wollen wir unter den Hochschullehrern Anreize setzen, damit mehr gute Erfindungsmeldungen gemacht werden", sagt Böhringer. Nicht nur unter Wissenschaftlern ist Umdenken gefragt. "An amerikanischen Hochschulen wird das Patentwesen systematisch gefördert, weil die Lizenzeinnahmen eine wichtige Säule der Hochschulfinanzierung sind", berichtet Patrik Varadinek, Leiter der Patentstelle an der Berliner Freien Universität. Deutsche Universitätsverwaltungen hingegen ticken anders. "Alles dreht sich um die Frage, wofür vorhandenes Geld ausgegeben werden soll und wie Kosten gespart werden können." Dass die Universitäten durch die Lizenzeinnahmen selbst Geld verdienen können, sei für die Verwaltungen ein neuer Gedanke.

Um die kommerzielle Verwertung des neuen Lasers Teramobile bemüht sich die Berliner Gesellschaft ipal, eine der neuen Patentverwertungsagenturen. Derzeit werden Firmen gesucht, die als Lizenznehmer der Erfindung infrage kommen. Noch ist die Prüfung der Patentanmeldung nicht abgeschlossen, doch ipal-Geschäftsführer Christian Kilger ist zuversichtlich: Die vorstellbaren Anwendungen des Geräts, etwa in der Klimaforschung, seien "realitätsnah" und "international relevant." Gute Aussichten also für eine erfolgreiche Vermarktung und für eine Übernahme aller Patentkosten durch die Verwertungsagentur.

Letzteres ist für die Erfinder oft entscheidend. Der Experimentalphysiker Wöste war in den letzten Jahren mehrmals gezwungen, aussichtsreiche Patentverfahren aus finanziellen Gründen einzustellen. "Ein Professorengehalt reicht eben nicht aus, um eine internationale Patentanmeldung zu finanzieren. Ohne einen finanzkräftigen Partner aus der Industrie war die Sache früher nicht machbar."

Fraglich ist allerdings, ob auch die nächste Erfindergeneration auf die Rückendeckung von Verwertungsexperten vertrauen kann. In 18 Monaten läuft die Anschubfinanzierung der Patentagenturen aus. Das Bundesforschungsministerium baut darauf, dass sie aus den Haushalten der Länder und Universitäten danach so lange alimentiert werden, bis sie sich aus den erwirtschafteten Lizenzeinnahmen selbst finanzieren können - nach Böhringers Schätzung frühestens in sieben Jahren. Bis dahin, so hofft er, wird sich auch in den Köpfen der Forscher einiges getan haben: "Wissenschaftler sind keine Unternehmer. Sie können nicht sämtliche kommerziellen Aspekte und Anwendungen ihrer Forschungen im Blick haben. Aber es wäre wünschenswert, wenn ein Patent als wissenschaftsnahe Publikation dieselbe Anerkennung fände wie eine wissenschaftliche Veröffentlichung in Fachblättern wie Science oder Nature."

 

(c) DIE ZEIT   25/2002