Dienstag, 12.3.2002

Blitzlichtgewitter

Wie man mit Laserpulsen die Atmosphäre untersuchen kann


Den Blitz zu zähmen ist ein alter Menschheitstraum, und Physiker aus Jena, Berlin und Lyon schicken sich offenbar an, ihn zu erfüllen: Sie wollen Laserpulse großer Leistung in den Himmel jagen und so einen Kanal in die Luft schießen, durch den der Blitz zur Erde kracht.

Das Gerät mit dem Namen „Teramobile“, dem dies gelingen soll, ist ein Laser in einem Container. Seine Leistung von vier Terawatt entspricht dem Output von 4000 Großkraftwerken. „Aber unser Laser gibt seine Leistung für eine Dauer von nur 60 Femtosekunden ab, 60 Billiardstel Sekunden“, sagte der Jenaer Forscher Roland Sauerbrey auf der Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft vergangene Woche in Osnabrück. Von diesen ultrakurzen Pulsen feuert Teramobile in jeder Sekunde zehn in den Himmel. „Mit der verbrauchten Energie kann man keine Tasse Kaffee erwärmen“, sagt Sauerbrey.

Die eigentliche Aufgabe von Teramobile ist aber nicht das Fangen von Blitzen, sondern die Überwachung von Schadstoffen in der Atmosphäre. Bei der so genannten Laserfernerkundung schießt ein Laser Blitze in die Atmosphäre, die dort befindlichen Moleküle streuen das Licht zurück. Am Boden analysiert ein Spektrograph das Lichtecho, um herauszufinden, welche Gase sich in welcher Konzentration in der Lufthülle befinden.

Hier hat es in jüngster Zeit noch andere Entwicklungen gegeben: So haben Experten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt ein Lasersystem entwickelt, das von Bord eines Flugzeugs aus präzise die Windgeschwindigkeiten in verschiedenen Schichten der Atmosphäre messen und damit Details über den Schadstofftransport gewinnen kann. Und Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Festkörperphysik haben einen kleinen, preisgünstigen Laserchip gebaut, der bei Industrieanlagen den Grad der Luftverschmutzung überwacht.

Teramobiles starke Pulse aber ermöglichen einen besonderen Effekt: „Durch die hohe Leistung wird die Luft in ihren optischen Eigenschaften so stark verändert, dass sie wiederum das Laserlicht beeinflusst“, so Sauerbrey. „Dadurch entstehen neue Lichtfrequenzen.“ Die an sich roten Blitze werden auf dem Weg durch die Atmosphäre weiß. Das zurück gestreute Licht eignet sich nun ganz besonders gut zum Aufspüren atmosphärischer Gase: Fehlende Farbanteile verraten, was in der Lufthülle schwebt und was nicht.

„Damit können wir mit einem Laser viele Komponenten der Atmosphäre zugleich erfassen“, erklärt Sauerbrey. So haben es die Forscher auf Treibhausgase und Schadstoffe abgesehen, wollen aber auch den Wassergehalt der Atmosphäre präzise vermessen, eine für Klimamodelle überaus wichtige Information. Zurzeit testen die Physiker die Reichweite ihres Lasers, sie liegt zwischen 12 und 15Kilometern. „Das nächste Experiment wird in Lyon stattfinden“, so Sauerbrey. „Dort wollen wir die Luft über einer Raffinerie untersuchen und schauen, ob man auch noch weit oben in der Atmosphäre Industriegase findet.“

Blau muss Rot den Vortritt lassen

Die enorme Leistung von Teramobile zu erzeugen, war eine technische Herausforderung. Gleich der Apollo-Mondrakete besteht das Gerät aus mehreren Stufen. Ein erster Laser erzeugt ultrakurze Lichtpulse, die kräftig verstärkt werden müssen. Das erledigt eine Kette von Feststofflasern. Doch dabei lauere ein Problem, sagt Sauerbrey: „Irgendwann sind die Laserpulse so stark, dass sie unweigerlich das Material schädigen.“

Deshalb müssen die Forscher ihre Pulse zwischenzeitlich strecken ? mit einem Bauteil, das das Licht in seine Farbanteile zerlegt. Die eher blauen Wellen werden zunächst auf einen längeren Weg geschickt als die eher roten, nach ihrer Verstärkung werden die Farben dann umgekehrt behandelt. Der so genannte Kompressor staucht die verstärkten Blitze wieder auf die ursprüngliche Länge zusammen. Geräte dieser Art gibt es schon seit einigen Jahren, nur füllen sie gewöhnlich ein großes Labor. „Wir haben nun einen mobilen Terawatt-Laser entwickelt, eingebaut in einen Lkw-Container“, sagt Sauerbrey ? dieser Eigenschaft verdankt das Gerät den Namen.

Das Blitze-Fangen allerdings müssen die Forscher noch üben, bisher funktioniert es nur im Labor. „Wir wollen untersuchen, ob man gezielt eine Gewitterwolke entladen kann“, so Sauerbrey. Denn schießt der Laser nach oben, wird die Luft ionisiert. Es entsteht ein elektrisch leitfähiger Kanal, durch den der Blitz gezielt zur Erde fahren kann. Auf diese Weise könnten Flughäfen oder Rechenzentren vor Einschlägen bewahrt werden. Zurzeit denken Sauerbrey und seine Kollegen darüber nach, ihren Container in ein bis zwei Jahren nach Brasilien oder Florida zu verschiffen, in gewitterträchtige Gegenden, um dort Blitze vom Himmel zu holen.

Frank Grotelüschen

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