NZZ online
30. Juli 2003, 02:13, Neue Zürcher Zeitung

Weisses Licht zur Erkundung der Atmosphäre

Geringe Absorption «ultraintensiver» Strahlung durch Wolke



Ein intensiver infraroter Laserpuls, so erstaunlich das klingt, mutiert in Luft mitunter zu einem strahlend weissen, eng gebündelten Strahl. «Ultraintensive Weisslicht-Filamente» nennen sich diese Leuchterscheinungen, die sich räumlich über mehrere hundert Meter erstrecken können. Seit ihrer Entdeckung ist die Erforschung der Filamente eine Domäne deutscher und französischer Physiker. Im Gemeinschaftsprojekt «Teramobil» arbeiten sie daran, ein mobiles System zur Fernerkundung der Atmosphäre mit intensivem Laserlicht zu entwickeln. Die Mutation des Laserpulses ist dabei ein höchst willkommener Effekt. Weisses Licht setzt sich nämlich aus einem breiten Spektrum von Wellenlängen zusammen. Analysiert man deshalb mit einem Teleskop das von der Atmosphäre zurückgestreute Weisslicht, lassen sich verschiedene Stoffe gleichzeitig erfassen. Das ist mit schmalbandigen Lasern, wie sie derzeit zur Fernerkundung der Atmosphäre verwendet werden, nicht möglich.

Interessante Forschungsergebnisse kommen nun von einer Wissenschaftergruppe aus Lyon. Das Team konnte zeigen, dass die Weisslicht- Filamente einen im Labor erzeugten Nebel erstaunlich gut durchqueren. Selbst die direkte Kollision mit Tröpfchen von bis zu 95 Mikrometern Durchmesser kann ihnen nur wenig anhaben.[1] Damit sollte eine Fernerkundung der Atmosphäre mit Weisslicht auch bei wolkenverhangenem Himmel möglich werden.

In einer anderen Arbeit haben die französischen Forscher demonstriert, dass man mit ihrer Technik sogar biologisches Material in der Atmosphäre nachweisen kann. Zusammen mit ihren deutschen Kollegen ist es ihnen geglückt, aus einer Entfernung von 50 Metern den spektroskopischen Fingerabdruck von Aminosäuren in Aerosoltröpfchen zu messen.[2]

Die Erzeugung von Weisslicht-Filamenten ist erst durch die Entwicklung von Hochleistungslasern in den 1990er Jahren möglich gemacht worden. So verwendet man im «Teramobil»-Projekt einen Laser, der extrem kurze Pulse (nur 100 Femtosekunden lang) mit einer Leistung von drei Millionen Megawatt (drei Terawatt) kilometerweit in den Himmel schiesst. Die extreme Konzentration der Strahlungsenergie führt in der Luft zu ungewohnten Effekten. So kommt es zu einer Selbstfokussierung des Laserlichts und in der Folge davon zu einer Aufspaltung in intensive Weisslicht-Filamente. Ein in die Station integriertes Teleskop kann die zurückgestreuten Signale noch aus einer Entfernung von 20 Kilometern auffangen.

Veronika Winkler

[1] Applied Physics Letters 83, 213-215 (2003).
[2] Science 301, 61-64 (2003).